Clément Jodoin in seinem ersten Interview
Im ersten Interview als Eisbären-Assistenztrainer philosophiert Clément Jodoin über Eishockey an sich, als solches, seine Auffassung der schönsten Sportart der Welt und lässt sich beinahe zu einer Aussage zu seinem Lieblings-NHL-Club hinreißen. Immerhin, seinen Lieblingsspieler nennt er auch.
Clement, herzlich willkommen in der Eisbären-Familie. Würden Sie sich bitte kurz vorstellen?
Clement Jodoin (CJ): Mein Name ist Clement Jodoin (gesprochen: Schodoaa). Ich bin ein etwas älterer Kerl. Ich bin seit über 35 Jahren Eishockeytrainer und habe auf den verschiedensten Ebenen trainiert, die da waren: Nachwuchsligen, Collegeligen, Universitätsligen, American Hockey League (AHL), National Hockey League (NHL). Ich war in einigen Turnieren involviert: drei Mal bei den Junioren-Weltmeisterschaften, einmal beim World Cup of Hockey in Québec, einmal beim Deutschland-Cup als Co-Trainer. Ich bin schon ein wenig rumgekommen, und warum jetzt nach Berlin? Um eine lange Geschichte zu kürzen… In den letzten 15 Jahren habe ich meine Sommer als Berater in Europa verbracht. Ich war schon in Norwegen, Finnland, Schweden, Österreich, Russland, Tschechien, Weißrussland und ca. vier bis sechs Wochen als Gasttrainer unterwegs. Ich konnte meine Erfahrungen mit anderen Trainern austauschen, war auf dem Eis tätig, war in einige Camps involviert. In den letzten drei Jahren habe ich mit der KHL (Kontinental Hockey League) zusammengearbeitet und war für ein Camp in Sotschi verantwortlich. Zudem leitete ich ein Universitätscamp in der Slowakei. Meine Sommer drehen sich die meiste Zeit um Eishockey. Warum bin ich hierhergekommen? Nun, es ist kein Traum. Ich war 15 Jahre in der NHL auf verschiedenste Weise z.B. als Entwicklungstrainer oder für die Videoanalyse und auch für das Scouting tätig. Ich habe von allem etwas gemacht. Es sollte eine neue Aufgabe für mich geben auf einem anderen Niveau, mit einem anderen Umfeld. Ich hatte weitere Möglichkeiten, meine Frau und ich haben diese Entscheidung getroffen und uns für Berlin entschieden aufgrund des Umfeldes, der Organisation, der Stadt. Ich kenne schon Stéphane Richer und Peter John Lee. Ich hatte auch eine gute Unterhaltung mit Uwe Krupp und ich denke, wir werden ein gutes Team sein. Mir gefällt das ganze Umfeld und die Chemie, die es hier gibt. Ich weiß, dass es eine Herausforderung sein wird, weil man Leistung bringen muss, aber darüber mache ich mir keine Sorgen. Ich sage immer: Wenn man organisiert ist, ist es einfach. Ist man nicht organisiert, wird es einige Schwierigkeiten geben. Wir werden uns organisieren und das aus jeder Perspektive: im System, auf und neben dem Eis, vor allem durchs Video, etc. Ich mache mir darüber keine Sorgen. Der Fakt, dass ich hierherkomme und so gut wie niemanden kenne, schüchtert ein wenig ein. Ich werde mich bemühen, meine Türen zu öffnen, mich vorzustellen und eine komfortable Situation zu schaffen, damit es mir gefällt. Es wird für meine Frau und mich gut sein und auch für meine komplette Familie. Ich habe zwei Töchter und drei Enkelkinder. Die Sache ist: Ich genieße und liebe das Spiel. Eishockey war schon immer gut für mich und ich versuche mein Bestes für das Spiel zu geben, indem ich weiterhin meine Erfahrungen mit anderen Trainern austausche. Ich wurde z.B. zu einigen Seminaren eingeladen, um dort Vorträge zu halten. Wie ich schon sagte, im Sommer bin ich ziemlich eingespannt. Im Juni werde ich 20 Tage bei einem KHL-Camp sein, im Juli bin ich 10 Tage in einem Universitätscamp in der Slowakei. Ich bin auf verschiedene Art und Weise eingebunden. Es ist eine Herausforderung und es wird ein neues Kapitel in meinem Leben sein und ich freue mich darauf.
Es wird für einige nicht ganz einfach zu verstehen sein. Sie haben viel erzählt und es ergibt alles einen Sinn, aber um es nochmal zu hinterfragen: Haben diese letzten genannten Gründe, wie z.B. eine neue Herausforderung, sie dazu gebracht, sich für Europa zu entscheiden? Da es vielleicht auch nicht mehr Ihr Ziel ist, Cheftrainer in der NHL zu werden.
CJ: Meine Zeit in der NHL hat mir sehr gefallen und ich habe es genossen. Ich möchte einfach etwas Anderes erleben. Die DEL wird meine NHL sein. Ich versuche, etwas zu gewinnen und die Spieler auf ihr bestes Niveau zu bringen und was wichtig ist, ist es, als Team zusammenzuarbeiten. Man muss einen Plan haben und diesem nachgehen. Wenn der nicht funktioniert, muss man einen neuen Plan aufstellen.
Man möchte ein gutes Leben haben. Ich denke, das Umfeld hier ist einfach großartig. Mir gefällt die Stadt, mir gefällt das ganze Paket. Ich denke nur noch an Eishockey. Meine Kinder sind erwachsen, es sind nur noch meine Frau und ich zuhause, demnach kann ich mich noch mehr auf das fokussieren, was meine Aufgaben im Sport sind. Ich komme nicht hierher, um das Spiel zu verändern, sondern um zu arbeiten. Das bedeutet, Uwe Krupp zu helfen und das Team zu einem guten Team zu machen. Ich bin kein Eishockeygott, aber ich habe einige Kenntnisse und Erfahrungen. Ich versuche so aufgeschlossen wie nur möglich zu sein, damit man sich viel austauschen kann und noch einiges lernen kann. Das Wichtigste nach der Saison ist es, zu analysieren, was man alles erfahren und gelernt hat. Niemand ist perfekt, kein Team ist perfekt, aber wir müssen das Ganze in die richtige Richtung bringen. Daran glaube ich auch.
Ein großer Teil ihrer Philosophie sind der Plan und die Organisation. Sie haben einiges im Kopf, was gemacht werden muss. Im Sport ist es dennoch ziemlich unvollkommen. Es passieren Dinge, die man nicht erwartet hätte. Wie kann man das also genau planen?
CJ: Es gibt immer Plan A, der funktioniert selten. Dann muss man auf Plan B zurückgreifen. Kurz erklärt… Plan A ist die bestmögliche Situation, die eintreffen könnte. Dabei interessiert es nicht, in welchem Bereich dieser Plan ist. Bereite einen Plan B und auch einen Plan C vor. Es ist einfach ein Spiel voller Emotionen, ein Spiel mit Fehlern. Man muss versuchen, die Fehler zu minimieren und die eigenen Emotionen zu kontrollieren. Es ist auch egal, wie die letzte Saison lief und z.B. die Meisterschaft gewonnen wurde. Man muss von vorne anfangen und hungrig sein. Man muss die ganze Zeit hungrig sein, man muss eine Leidenschaft für diesen Sport besitzen. Wenn man dann aufs Eis geht, dann genießt man es regelrecht. Man genießt es, zu trainieren und sich zu pushen. Man genießt den Wettkampf, was das Wichtigste ist. Die Namen an der (Taktik-)Tafel ist eine Sache. Das Spiel aber wird auf dem Eis ausgetragen und nicht auf dem Papier oder auf dem Bildschirm. Auch nicht im Training, sondern erst wenn der Puck fällt, ist es Zeit für das Spiel. Es gibt gute Mannschaften und sehr gute Organisationen in der Liga. Was kann man machen, um das beste Team zu sein? Wenn ich mich an meine drei Teilnahmen an den Junioren-Weltmeisterschaften erinnere, wir hatten damals die Goldmedaille gewonnen. Gleich eine Woche danach gab es eine Telefon-Konferenz, in der wir sofort besprochen hatten, was wir machen müssen, um noch besser zu werden. Anstatt den Erfolg in den darauffolgenden Wochen und Monaten zu feiern, saßen wir Trainer aus dem Trainerstab der Junioren zusammen und haben uns beraten, welche Bereiche verbessert werden müssen, damit wir die Besten bleiben. Der Schlüssel ist es, sich stärker zu erweisen als andere, dabei, das beste Powerplay zu haben, das beste Unterzahlspiel usw.
Es ist unmöglich, wirklich der Allerbeste zu sein in allem, aber man muss das Ziel haben, man muss es versuchen.
Das sind also alles die Einstellungen, die man haben muss. Darf ich fragen, was Clement Jodoins Eishockey-Philosophie ist – ist es eher offensiv oder defensiv? Gibt es irgendein System, was Sie gerne spielen lassen?
CJ: Ich bin jetzt nicht der Cheftrainer, sondern der Co-Trainer. Uwe Krupp entscheidet, nach welchem System wir spielen und ich werde das unterstützen. Aber natürlich werde ich meinen Input dazugeben, was wir meiner Meinung nach angehen müssen. Zu meiner Philosophie gehört als erstes die Zusammenarbeit mit zuverlässigen Personen, die bereit sind, zu arbeiten. Es müssen nicht immer die besten Spieler sein, solange sie einen guten Charakter haben und hart arbeiten. Es ist wie im Leben, es sollte organisiert und ausgeglichen sein. Genauso ist es im Eishockey. Man braucht Tore, um Spiele zu gewinnen, aber man muss lernen Gegentore zu verhindern. Man kann also nicht nur in eine Richtung spielen, demnach ist es wichtig, in jedem Aspekt des Spiels ausgeglichen und organisiert zu sein. Es hängt auch vom Potential der Spieler ab. Beispielsweise wenn man ein aggressives Forechecking spielen möchte, aber das funktioniert nicht, wenn die Verteidiger nicht gut genug Schlittschuhlaufen. Gibt es Verteidiger, die das spielen können?
Man muss das System also immer dem Potential und der Qualität der Spieler anpassen, die einem zur Verfügung stehen und die man in der Saison trainieren wird. Ich habe natürlich eine bestimmte Denkweise vom Spiel.
Man muss in den verschiedenen Zonen immer offensives und defensives Denken lehren.
Man bringt nicht nur eine Sache des Spiels bei, sondern gleichzeitig alles, was zum Spiel dazugehört, ob mit oder ohne den Puck. Wenn man also ohne den Puck ins Spiel startet – was muss man tun, wenn man ihn hat? Es dreht sich immer darum, wie man es den Spielern beibringt und präsentiert. Als Trainer muss man ein guter Verkäufer sein. Man muss erklären, wo und wie einer spielen muss und was der Zweck davon ist. Das muss man anhand von Videos zeigen und danach wird das trainiert. Es ist ein langer Weg und nicht an einem Tag erledigt. Jeder muss auf derselben Wellenlänge sein und dann kann man gemeinsam die Arbeit starten. Wir werden auch einige Diskussionen haben und auch gute. Sowas braucht man, um am besten analysieren zu können, was verbessert werden muss.
Wir haben schon mal darüber gesprochen, welche Namen hier bei den Eisbären gearbeitet haben, z.B. Don Jackson und Pierre Pagé. Sie haben mit ihnen auch zusammengearbeitet. Gibt es irgendwelche andere Namen mit denen Sie zusammengearbeitet haben?
CJ: Ja, z.B. mit Alain Vigneault und Dave King. Das sind große Namen, aber keiner ist perfekt. Man hört zu, schaut zu, notiert sich einiges und packt es dann für den Eigenbedarf weg. Das versuche ich zumindest die meiste Zeit so. Es gibt aber keine Götter im Eishockey. Es gibt aber Menschen, die zu dem stehen, woran sie glauben. Genau das mache ich auch. Danach muss man aber einiges investieren. Meine Investitionen für diese Fachkenntnisse, die ich mir angeeignet habe, sind die Reisen nach Russland, Weißrussland, Österreich usw. Ich bin an vielen Orten gewesen, z.B. auch in Malmö und Djurgårdens für fünf Sommer nacheinander. Ich habe verschiedene Umfelder und Arbeitsweisen kennengelernt, aber alles führt auf eine Sache zurück: Das Spiel findet auf dem Eis statt. Es ist egal, ob es Nordamerika, Europa, Russland oder sonst wo ist. Man muss vorbereitet sein und wissen, was die eigene Rolle im Team ist. Egal in welchem Bereich, ob im Powerplay oder im Penaltykilling. Ich bin hierhergekommen, um zu arbeiten, zu helfen und die Eisbären zum besten Team der Liga zu machen.
Die letzte Frage an Sie. Haben Sie ein Lieblingsteam?
CJ: Ich habe für die Montréal Canadiens zwölf Jahre gearbeitet, zwei Jahre für die Québec Nordiques, ein Jahr für die Pittsburgh Penguins. Mein Lieblingsspieler war Bobby Orr. Aber mein Lieblingsteam… Mir gefällt die Organisation von Montréal sehr. Ich mag es, wie sie die Menschen behandeln, angefangen beim Präsidenten. Mir gefällt die Qualität der Mitarbeiter der Organisation. Das sind gute Menschen, sie kümmern sich um einen. Man ist glücklich, wenn man dort ist. Ich bin jetzt zwei Tage hier, vermisse natürlich vieles, aber das, was ich hier bis jetzt sehen konnte, gefällt mir sehr gut. Mir gefallen die Atmosphäre und die Chemie. Jeder freut sich auf den Neustart. Es ist ein schönes Umfeld, ein gutes System. Wir müssen das jetzt zusammenfügen. Das Wichtigste in solch einer Organisation ist die Zusammenarbeit zwischen Geschäftsstelle und Eishockeymannschaft. Meiner Meinung nach ist es von besonderer Bedeutung in diese Richtung zu gehen.
Clement, vielen Dank für das Interview, für Ihre Worte. Und viel Erfolg in der kommenden Saison.
CJ: Gerne. Wir sehen uns im Juli.