Eisbären unterstützen den Aufruf der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs
Vor drei Jahren startete die Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs ihre Arbeit. Seitdem hat die Kommission eine Vielzahl an Gesprächen mit betroffenen Menschen geführt und ihre Berichte ausgewertet. Derzeit liegt das Hauptaugenmerk der Kommission auf Missbrauchsfällen im sportlichen Umfeld. Wie die Kommission arbeitet, welche Ziele sie verfolgt und warum Aufarbeitung auch für den Eishockeysport wichtig ist, erklärt uns ihre Vorsitzende Frau Prof. Dr. Sabine Andresen.
Frau Prof. Andresen, Sie sind die Vorsitzende der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs. Ihre Kommission widmet sich aktuell dem Schwerpunkt Sport. Wie kam es zu dieser Entscheidung?
Prof. Andresen: Die Kommission hat den Auftrag, sexuellen Kindesmissbrauch aufzuarbeiten, damit Kinder und Jugendliche heute und zukünftig besser vor sexueller Gewalt geschützt werden können. Seit wir 2016 unsere Arbeit begonnen haben, haben sich rund 1.700 erwachsene Betroffene bei uns gemeldet. Darunter waren auch einige, die von sexuellem Kindesmissbrauch beim Sport berichteten. Diese Zeugnisse und auch Medienberichte aus den vergangenen Jahren weisen darauf hin, dass es auch im Sport einer unabhängigen Aufarbeitung bedarf. Diese ist in den Strukturen des Breiten- und Leistungssports bisher aber noch nicht ausreichend vorgesehen. Wir nehmen zwar wahr, dass immer mehr Verbände und Vereine in Präventionsmaßnahmen investieren. Das ist natürlich wichtig. Doch auch Aufarbeitung ist nötig. Um Kinder und Jugendliche wirksam schützen zu können, braucht es den Blick in die Vergangenheit, um zu erkennen, durch welche Strukturen Missbrauch ermöglicht oder begünstigt wurde, warum sich Kinder nicht anvertraut haben oder wenn doch, warum ihnen nicht geholfen wurde und wieso es möglich war, dass Taten verschwiegen oder gar vertuscht werden konnten.
Wie können sich betroffene Menschen bei der Kommission melden? Und was erwartet sie dann?
Prof. Andresen: Betroffene haben einerseits die Möglichkeit, sich bei uns über die anonyme und kostenfreie Nummer des Infotelefons Aufarbeitung 0800 40 300 40 zu melden. Zum anderen können sie sich auf unserer Webseite www.aufarbeitungskommission.de/sport über die verschiedenen Möglichkeiten informieren, wie sie uns berichten können: in einer vertraulichen Anhörung oder mit einem schriftlichen Bericht. Die Betroffenen bestimmen selbst, was sie uns mitteilen. Wir stellen dafür einen sicheren und geschützten Rahmen zur Verfügung. Alles, was uns die Betroffenen in der Anhörung oder in einem Bericht mitteilen, bleibt vertraulich. Vor der Auswertung der Anhörungen und Berichte werden die Inhalte pseudonymisiert, sodass die Dokumente keine personenbezogenen Daten mehr enthalten. Neben Betroffenen können sich bei uns auch Angehörige, Freunde und andere Zeitzeugen melden.
Welche Motivation haben Betroffene, der Kommission von ihren Erfahrungen zu berichten?
Prof. Andresen: Vielen Betroffenen oder Zeitzeugen ist es wichtig, dass Kinder heute und in Zukunft besser geschützt werden. Dazu möchten sie mit ihren Erfahrungen etwas beitragen. Wir bekommen auch häufig die Rückmeldung, dass die Anhörung als Anerkennung erfahren wurde, da jemand zuhört und nicht infrage stellt, was sie mitteilen. Für viele Betroffene ist das eine neue und sehr wichtige Erfahrung. Weil sie vielleicht schon in der Kindheit versucht haben, sich jemandem anzuvertrauen, aber ihnen nicht geglaubt oder ihnen sogar die Schuld für das Geschehene gegeben wurde. Wir sind sehr dankbar dafür, dass Betroffene sich an uns wenden und damit einen wesentlichen Beitrag zur Aufarbeitung leisten. Dieser Schritt ist nicht selbstverständlich. Darum hoffen wir, dass auch Betroffene, die sexuelle Gewalt beim Sport erlebt haben, Mut fassen und sich bei uns melden.
Inwiefern kann sexueller Kindesmissbrauch auch im Eishockey geschehen?
Prof. Andresen: Von keiner Sportart lässt sich mit Sicherheit behaupten, dass sexualisierte Gewalt an Kindern und Jugendlichen dort nicht geschehen kann. Beim Sport kommt es häufig zu Körperkontakt zwischen Trainern und Trainerinnen und Sportlerinnen und Sportlern, beispielsweise bei Hilfestellungen. Aber auch bei Verletzungssituationen, Fahrten zu Wettkämpfen oder ins Trainingslager, beim Umziehen und Duschen, gibt es Möglichkeiten für sexuellen Missbrauch – auch unter den Kindern und Jugendlichen selbst. Solche Situationen findet man in allen Sportarten. In den vergangenen Jahren wurden auch im Eishockey Fälle sexuellen Kindesmissbrauchs bekannt. Darum müssen wir hier genauso hinschauen, um zu erfahren, was passiert ist und wie es geschehen konnte.
Alle Informationen zum Aufruf erhalten Interessierte unter www.aufarbeitungskommission.de/sport oder telefonisch unter 0800 40 300 40 (kostenfrei und anonym).